Radikalisierungsprävention im Naturschutz

Gemeinsam mit den NaturFreunden haben wir eine Fachstelle gegründet, um uns gegen völkisch-nationalistische und rechtsextreme Ideologien im Umwelt- und Naturschutz zu stellen. Neben Informationen zum Thema bieten wir Seminare und Materialien an.

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Samuel Lehmberg, NaturFreunde Deutschlands

Naturschutz und Rechtsextremismus?

Natur- und Umweltschutz wird in der Öffentlichkeit zumeist als eine junge Bewegung wahrgenommen und zudem mit alternativen Lebensstilen, liberalen Werten und linkspolitischen Strömungen verknüpft.

Die mehr als 100-jährige Geschichte des deutschen Naturschutzes, die immer wieder auch Verknüpfungen und Überschneidungen mit nationalchauvinsistischen und völkischen Ideen und Strömungen aufweist, ist kaum jemandem präsent.

Auch die Verstrickungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit den Schrecken des Faschismus sind in der Öffentlichkeit wenig bekannt. In der NS-Ideologie war der Naturbegriff geodeterministisch geprägt. Natur wurde primär als Lebensraum für das „Volk“ gesehen und von dessen Kultur überformt. So wurden Landschaften zum vermeintlich sichtbaren Ausdruck völkischer Kultur.

Konkret äußerte sich das in der Vorstellung, dass die germanische Herkunft zusammen mit der Natur die körperlichen, geistigen und charakterlichen Eigenschaften des deutschen Volkes geprägt habe. Um diese spezifischen Merkmale des eigenen „Volkes“ zu bewahren, wurde also auch die natürliche Umgebung geschützt. Der „Deutsche Wald“ – als sinnstiftender Mythos von hoher Bedeutung – sollte für die Erhaltung und Entfaltung der deutschen Kultur bewahrt werden. Ebenso wurden unter strenger Achtsamkeit bei Projekten wie der Autobahnbegrünung nur sogenannte heimische Arten gepflanzt, um den Eingriff in die Landschaft und damit die völkische Kultur möglichst gering zu halten.

Eine Verbindung zwischen dem deutschen Naturschutz, der „Endlösung der Judenfrage“ und der „Osterweiterung“ lässt sich an vielen Stellen nachweisen. So galt Oswiecim (Auschwitz) als ein Pilotprojekt für die „Eindeutschung“ einer Stadt und ihrer Umgebung. Die entstehenden Siedlungen sollten „durchgrünt“ (hierzu zählte das Anlegen von Selbstversorgergärten und Heckenlandschaften) und so zu „deutschen Gebieten“ geformt werden. Die Neugestaltung der Stadt und ihrer Umgebung (darin impliziert ist auch die Neugestaltung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau) wurde durch den Einsatz von Zwangsarbeiter*innen realisiert. Eine Ansiedelung deutscher Volksgruppen wiederum konnte natürlich nur vollzogen werden, wenn zuvor die „volksfremden Bevölkerungsanteile“ mittels organisiertem Massenmord „entfernt“ wurden.

Personelle und ideologische Kontinuitäten bis hinein in den bundesrepublikanischen Naturschutz sind in großer Zahl vorhanden. Konrad Lorenz, Reinhold Tüxen, Heinrich Wiepking-Jürgensmann und Alwin Seifert sind nur einige Beispiele. Eine systematische Aufarbeitung hat bis heute nicht stattgefunden.

Ist das heute noch relevant?

Extrem rechte Einzelpersonen und Gruppierungen engagieren sich im Natur- und Umweltschutz. Sie wehren sich gegen Gentechnik und Atomenergie. Wir begegnen ihnen auf Demonstrationen gegen Freihandelsabkommen und gegen eine ausbeuterische industrialisierte Landwirtschaft.

Die Grenzen zwischen den politischen Lagern scheinen zu verschwimmen. Tatsächlich decken sich viele Forderungen der grünen Braunen mit denen von (Jugend-)Umweltverbänden und Naturschutzorganisationen.

Während die Veranstalter*innen der Demonstrationen zunehmend nach Strategien gegen eine rechte Unterwanderung suchen, hört man aus den Reihen der aktiven Natur- und Umweltschützer*innen aber auch immer wieder ganz andere Töne: „Ist es der Natur nicht egal, von wem sie geschützt wird?“ oder „Muss man sich nicht über jeden Menschen freuen, der sich engagiert? Sollten politische Differenzen an dieser Stelle nicht beiseitegelegt werden?“

Gerade junge Menschen, die oft keinen familienbiographischen Bezug mehr zu den Schrecken des Faschismus haben und in den meisten Fällen wohl auch nicht mehr die Chance erhalten werden, mit Überlebenden der Shoah zu sprechen, mögen sich angesichts der nahezu allgegenwärtigen Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen durch Übernutzung der Ressourcen die Frage stellen, ob es nicht Wichtigeres gibt, als die politische Gesinnung einzelner Natur- und Umweltschützer*innen. Eine Querfront scheint verlockend.

Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die politische Verortung von Natur- und Umweltschützer*innen eben nicht irrelevant ist. Zwar gibt es tatsächlich viele gesellschaftspolitische Forderungen im Bereich des Natur- und Umweltschutzes, die in allen politischen Lagern gleich zu sein scheinen, die Herleitungen und Begründungen unterscheiden sich jedoch deutlich. So ist der rechte Natur- und Umweltschutz stets verknüpft mit rassistischen, biologistischen und völkischen Ideen – etwa mit den Neu-Rechten-Konzepten vom „Ethnopluralismus“ oder der „Umvolkung“. Hier geht es immer auch um die Ideen von „angestammten Territorien der Völker“, um die „Reinhaltung“ von Staaten und Gesellschaften, um die „Verteidigung des Eigenen“ und schließlich auch um Remigration und Schutz der Grenzen.

Aktive im Natur- und Umweltschutz tun demzufolge gut daran, hier Distanz zu suchen. Eine Querfront mit extrem rechten Natur- und Umweltschützer*innen ist abzulehnen. Natur- und Umweltschutz darf nicht ausgespielt werden gegen Demokratie und Menschenrechte. Mit FARN wollen wir personelle und konzeptionelle Kontinuitäten im Natur- und Umweltschutz sichtbar machen und Präventionskonzepte konzipieren.

Das Engagement gegen die Ausbeutung der Natur muss Hand in Hand gehen mit dem Engagement gegen die Ausbeutung des Menschen.

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